Die 8 gelb liess sich von der Sage "Die pflichtvergessenen Schiffsknechte" inspirieren und liess im Bildnerischen Gestalten die Aaregeister wieder aufleben. Nachdem sie ein paar Wochen lang das Treppenhaus unsicher gemacht haben, sind sie in die Freiheit entlassen worden... ins Gestrüpp bei der Alten Aare.
Im Musical "Schiffbruch", welches die gesamte Schule im Juni 2019 aufführen wird, werden die Seelen der ertrunkenen Schiffsknechte wieder eine wichtige Rolle spielen.
Einmal sollen Menschen nach Bern gekommen sein, die wegen ihrer Überzeugung, ihres Glaubens in ihrer angestammten Heimat Schmach und blutige Verfolgung gelitten hatten.
Schlecht erinnerten sich in diesem Fall die Berner an ihre einmal weitherum im ganzen Lande gern genannte und gerühmte Gastfreundschaft.
Der Rat befahl, die armen Leute möglichst rasch auf ein altes, morsches Schiff steigen zu lassen und sie mit der Aare weit wegzuschicken. Nicht einmal rechte Ruderknechte wurden den Fremden mitgegeben; nur zwei üble Gesellen, die ihre Arbeit mehr schlecht als recht für billigen Wein taten.
Die Fahrt war, wie man erwarten musste, der gründliche Vollzug eines grausamen Urteils. Bei Lyss liessen die betrunkenen Schiffsknechte ihr Fahrzeug gegen die Steinbank laufen. Die Menschen kippten bei solchen Steuerkünsten in die raschen und tückischen Aarewellen, und Mann und Maus verschwanden im wilden Wasserwirbel.
Es wurde aber so eingerichtet, dass bis in unsere Zeit hinein die Berner diese schlechte Tat nie und nimmer zu vergessen vermochten. Noch nach vielen Menschenaltern konnten die pflichtvergessenen Ruderer ihre Ruhe nicht finden.
Immer wenn ein schweres Gewitter im Anzug war, vernahm man im Uferwald ihr verzweifeltes Lärmen und Brüllen.
Im Jahr 1687 ereignete sich auf der Aare bei Lyss die schlimmste Schiffskatastrophe der Schweiz. Hier die Umstände, welche dazu geführt hatten:
Verfolgung der Protestanten in Frankreich
Nachdem der französische König Ludwig XIV. im Jahr 1685 den Katholizismus zur Staatsreligion und alle Reformierten zu Ketzern erklärt, kommt es landesweit zu Zwangsbekehrungen und Schikanen gegen Reformierte. Der Protestantismus soll ausgerottet werden.
Die Flucht ist gefährlich. Jederzeit können die Flüchtlinge verraten werden; dann droht ihnen der Kerker oder ein Leben in Ketten als Ruderer auf den Galeeren. Viele reisen deshalb nachts und kommen tagsüber bei Glaubensbrüdern unter.
Flucht über Genf und Bern
Rund 300‘000 Menschen verlassen in dieser Zeit der Verfolgung Frankreich. Vermutlich in Anspielung auf das französische Wort aignos (für Eidgenossen) werden die Flüchtlinge als Hugenotten bezeichnet. Viele von ihnen wollen nach Deutschland, wo fruchtbares Land liegt und ganze Landstriche nach dem 30-jährigen Krieg entvölkert sind.
Für die Weiterreise in Richtung Deutschland gilt es, bei Genf das französische Gebiet von Versoix zu umgehen – viele nehmen deshalb eine Barke über den Genfersee. Später wird ein Teil der Hugenotten über den Neuenburgersee und Bielersee verschifft. Andere nehmen den beschwerlichen Landweg über Bern.
Die Weiterreise erfolgt auf der Aare via Solothurn. Dort versucht der französische Ambassador, die Flüchtlinge zur Heimkehr zu bewegen, doch die Einwohner Solothurns, die schon 155 Jahre zuvor einen Glaubenskrieg verhindert haben, denken nicht daran, die Flüchtlinge auszuliefern. Trotzdem machen viele um die katholischen Städte Solothurn und Olten einen Bogen.
Das Schiffsunglück bei Lyss
Eine Tragödie ereignet sich am 5.September 1687. Damals hat man sich im Dorf Lyss im Bernbiet bereits an die Franzosen gewöhnt, die hier für einige Tage oder Wochen im Hotel «Weisses Kreuz» aufgenommen werden. Jetzt soll erneut eine Gruppe von Flüchtlingen aus Bern anreisen. Doch die meisten von ihnen kommen nie an.
Die betrunkenen Schiffsleute steuern die beiden zusammengebundenen Barken mit 137 Flüchtlingen auf der Aare zwischen Aarberg und Lyss in einen Baumstamm. Eines der Boote droht zu sinken, die Flüchtlinge versuchen ins andere steigen, worauf dieses kentert. 111 Menschen ertrinken bei der grössten Schifffahrtskatastrophe, die das Land je erlebte.
Dreissigmal so viele Flüchtlinge wie heute
Die reformierten Kantone sehen es als ihre Pflicht an, ihre Glaubensbrüder zu unterstützen, stossen aber mit Aufnahme, Unterstützung und Abfertigung der Tausenden an ihre Grenzen.
Zu den Flüchtlingen aus Frankreich kommen die Waldenser, verfolgte Reformierte aus dem Piemont, hinzu. Heute weiss man, dass längst nicht alle Glaubensflüchtlinge waren. Rund 20‘000 der Flüchtlinge lassen sich schliesslich dauerhaft in der Schweiz nieder, die damals 1,2 Millionen Einwohner hat.
Angesichts des grossen Flüchtlingsstromes legen die Kantone Aufnahmequoten fest. Die Stadt Bern beherbergte Ende 1685 bei rund 8000 Einwohnern 1614 Flüchtlinge. In Schaffhausen beherbergen die 5000 Einwohner sogar 9000 Flüchtlinge. Auch damals gab es kritische Stimmen, doch die Notwendigkeit der Aufnahme der Flüchtlinge wurde nicht in Frage gestellt.
In den Städten Bern, Zürich, Aarau und Schaffhausen entstehen französische Kirchgemeinden, die bis heute existieren. Zahlreiche Hugenotten lassen sich Ende des 17. Jahrhunderts in Aarau nieder.
Es kommt auch zu kulturellen Reibereien. Fremde schüren Ängste. Das ist vor über 300 Jahren nicht anders als heute. So rufen der Wirtschaftsbesuch und der Weinkonsum der Flüchtlinge Ärger hervor. Den puritanischen Zürcher Männern verdrehen die «Exulantenweiber» mit ihrer frivolen Kleidung so den Kopf, so dass die Stadt ein Sittenmandat «wider die hoffärtigen und ärgerlichen Kleidungen» erlässt.
Obwohl sie grosszügig unterstützt werden und auch längere Zeit in der Schweiz Unterkunft finden, sträubt sich der Staat aber gegen die dauerhafte Ansiedelung der Flüchtlinge, denn viele Einheimische leben am Rande des Existenzminimums. Schlechte Ernten während der Kleinen Eiszeit führen immer wieder zu Hungersnöten und Preiserhöhungen für Nahrungsmittel. Zu keiner Zeit aber denken die Kantone daran, die Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen. Bevor man sie weiterschickt, stattet man sie mit Reisegeld aus.
Hugenotten unter uns
Die Nachfahren der Hugenotten leben immer noch unter uns. Dabei sind viele bescheiden und suchen nicht das Rampenlicht. Getreu dem Motto: «Etre non paraître» (Sein, nicht scheinen).
Oft erkennt man die Familien hugenottischen Ursprungs am französisch klingenden Namen – auch wenn manche mittlerweile eingedeutscht wurden. Einige der Flüchtlinge haben sich als erfolgreiche Unternehmen einen Namen gemacht. Dazu gehört zum Beispiel die Familie Ringier. Jean Ringier wanderte bereits 1527 aus Frankreich in die Schweiz ein. Heute steht der Name Ringier für das grösste private Schweizer Medienunternehmen.
Philippe Gaydoul, früherer Chef von Denner ist ebenfalls hugenottischen Ursprungs, genauso wie die Bankiers Sarasin und Mirabaud aus Genf. In die Politik zog es Carl Miville, ehemaliger Basler Ständerat und Adèle Thorens, die Nationalrätin der Grünen Partei. Der Filmemacher Jean-Luc Godard ist ebenfalls hugenottischen Ursprungs.
Die heute bekanntesten Hugenotten in Deutschland sind der ehemalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière sowie der Schauspieler und Regisseur Mathieu Carrière. Bekannte Nachkommen von Hugenottenfamilien sind der Schriftsteller Theodor Fontaine und der Naturforscher Alexander von Humboldt.
Auszüge aus dem Artikel "Vom Fluchtweg zum Wanderweg" aus der Zeitschrift Zeitpunkt Nummer 127 | Sept. 2013, teilweise leicht bearbeitet